Die Meisterprüfung für Augenoptiker ändert sich – und damit das Berufsbild. Ein Interview mit Inhaber Gereon Müller

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Zum 1. Juli 2026 tritt die neue Verordnung zur Meisterprüfung im Augenoptiker-Handwerk in Kraft. Schon lange hatte sich der Berufsverband ZVA dafür eingesetzt, dass das Berufsbild des Augenoptikers an die heutigen Erfordernisse angepasst wird. Was sich ändert und wer davon profitiert, erklärt Inhaber Gereon Müller im Gespräch.

Was sind die wichtigsten Änderungen in der Prüfung für angehende Augenoptikermeister?

Es gibt zwei wesentliche Änderungen. Erstens werden die Inhalte in der theoretischen Prüfung neu gewichtet: Es wird mehr Wert auf fachliche Kompetenz im eigentlichen Handwerk gelegt. Schwächen im Fachwissen können demnächst nicht mehr so leicht durch betriebswirtschaftliche Stärken ausgeglichen werden. Zweitens wird der Praxisteil ausgeweitet. Neu sind die vollständige Kontaktlinsenanpassung, die Refraktionsbestimmung und optometrische Prüfverfahren. Auch eine so genannte Situationsaufgabe wird eingeführt – hier wird der Bereich der Untersuchungen und Prüfungen noch vertieft.

Was genau sind denn optometrische Prüfverfahren?

Vereinfacht gesagt: Das Prüfen der Augenfunktionen. Bei Optik Müller zum Beispiel gibt es das Angebot schon seit vielen Jahren in voller Breite; wir nennen es Augenfitness-Check. Da geht es selbstverständlich um Fehlsichtigkeit, aber auch um Augengesundheit. Wir sehen uns außer Hornhaut, Linse, Tränenfilm und Pupillenspiel auch die Netzhaut und den Sehnerv an, die im hinteren Augenabschnitt liegen, also hinter dem Glaskörper. Wenn wir dort Auffälligkeiten feststellen, kann das auf Augenkrankheiten hindeuten.

Musste das ein Optiker bislang nicht können?

Bei uns schon, sonst erreicht man ja keine vollständigen Ergebnisse. Unsere vier Augenoptikermeisterinnen und -meister haben in dieser Hinsicht große Erfahrung. Weil der Stand der Technik fortschreitet, hat sich die Branche dafür stark gemacht, dass gängige Prüfverfahren vollständig in die Meisterprüfung aufgenommen werden. Die Ansprüche an unsere Leistung sind mit der Zeit gestiegen und wir übernehmen immer mehr Verantwortung für die Augengesundheit unserer Kunden. Ich bin sehr glücklich damit, dass der Prüfkatalog erweitert wird, gerade auch um die Untersuchung des hinteren Augenabschnitts. Denn davon sollten angehende Meister nicht nur einmal gehört haben, die sollten sie schon meisterlich beherrschen.

Beim Thema Augengesundheit denken viele eher an den Augenarzt.

Das ist richtig und das will niemand ändern. Es gibt eine ganz klare Grenze zwischen der Rolle eines Augenoptikers und der eines Augenarztes. Wenn wir Auffälligkeiten feststellen, die über eine Fehlsichtigkeit hinausgehen könnten, empfehlen wir einen Arztbesuch zur medizinischen Abklärung. Wir stellen keine Diagnosen, sondern geben Empfehlungen zum weiteren Vorgehen.

Kann denn die Untersuchung bei der Diagnose helfen?

Ja, weil wir die Auffälligkeiten genau dokumentieren. Das wird in der Prüfung ab dem nächsten Jahr übrigens ebenfalls verlangt. Wir stellen Kunden auf Wunsch eine Aufnahme der Netzhaut zur Verfügung. Diese können sie beim Arzt vorlegen, so dass die Dokumentation bildlich ergänzt wird. Es bleibt natürlich dessen Entscheidung, wie er damit umgeht.

Das heißt, eine Augenuntersuchung kann dem Arzt Arbeit abnehmen?

Nein, aber ein aktuelles Bild von der Netzhaut kann die ärztliche Diagnose unterstützen. Auch wenn kein Arzt dazu verpflichtet ist, diese zu nutzen, wissen viele den Informationswert sehr zu schätzen. So können sie ihre knappe Zeit besser auf Diagnose und Therapie konzentrieren.

Seit einiger Zeit werben Optiker-Ketten und sogar Drogeriemärkte mit solchen Bildern…

Das stimmt: Diese Anbieter haben die entsprechenden Geräte erworben. Kunden erhalten für relativ günstige Preise Aufnahmen und dazu eine KI basierte Auswertung. Aber sie können sich mit den Ergebnissen an niemanden vor Ort wenden. Das Personal ist sogar angewiesen, keinerlei Auskunft zu geben. Und das, obwohl zumindest bei den Ketten ausgebildete Optiker zur Verfügung stünden.

Ist das ein Problem?

Nicht für die Anbieter, weil sie keine weitere Verantwortung übernehmen. Und auch nicht für die Kunden ohne Befund. Aber stellen wir uns vor, in der Auswertung wird das Risiko einer Erkrankung aufgeführt. Was macht ein Kunde damit? Er wird einen zeitnahen Termin beim Augenarzt wollen. Den gibt es aber nicht so schnell – man wartet oft Monate auf einen Augenarzttermin. Entweder der Kunde leidet so lange unter seiner Ungewissheit oder er dringt sicherheitshalber auf einen Notfalltermin. Vielleicht ist er aber kein Notfall. Wenn Arztpraxen mit womöglich unbegründeten Anliegen bestürmt werden, lähmt das den Betrieb. Das geht oft zu Lasten derer, die ärztliche Hilfe dringender benötigen.

Kann man mit dem Ergebnis nicht auch zum Optiker gehen?

Zu uns auf jeden Fall. Mitbewerber, die sich nicht mit Augenhintergrundaufnahmen beschäftigen, können in der Regel nicht helfen. Wir erleben das bereits vereinzelt. Eine eingehende Sehberatung bieten wir daher selbstverständlich an – natürlich zum üblichen Honorarsatz. Es ist dann nur schade um das Geld, das man vorher für das scheinbar günstige Discount-Angebot bezahlt hat – vom erlebten Stress ganz zu schweigen.

Welchen Nutzen haben die Kunden insgesamt von einer Augenuntersuchung?

Bei Optik Müller nehmen wir uns sehr viel Zeit für die Anamnese und die Messungen. Weil wir mit unseren Kunden über den ganzen Zeitraum der Untersuchung im intensiven Gespräch bleiben, können wir genau zuhören, Zusammenhänge erklären, Ängsten begegnen. Als Augenoptiker sind wir im Alltag meist die ersten Ansprechpartner, wenn Menschen feststellen, dass ihre Sehfähigkeit beeinträchtigt ist. Das ist eine Vertrauensstellung, die wir achten und der wir jederzeit gerecht werden wollen – gerade auch fachlich. Die neue Prüfung soll das sicherstellen.

Deshalb kommt auch die Situationsaufgabe dazu? Was kann man darunter verstehen?

In der Situationsaufgabe wird ein Praxisfall simuliert. Wichtig ist, dass die richtigen Messungen und Tests korrekt vorgenommen werden. Danach wird die Sehhilfe gefertigt und das Ergebnis überprüft, so dass dieses auf den Kunden exakt passt. Hier geht es neben fachlichen Inhalten vor allem um die Anwendungskompetenz.

Mit anderen Worten: Die Meisterprüfung wird fachlich anspruchsvoller und gleichzeitig praxisbezogener.

So kann man es zusammenfassen. Und davon, dass die Augenoptiker fachlich gestärkt werden, profitieren vor allem die Kunden.